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Orientierung in der digitalen Transformation

Wie Unternehmen die Bandbreite und Komplexität der Digitalisierung richtig nutzen

von wirtschaftstelegraph
Thomas Pförtner

Digitalisierung als bestimmender Trend in der Wirtschaft wird häufig als Bedrohung empfunden. Aus unternehmerischer Sicht bietet sie jedoch enorme Chancen, sich zukunftsorientiert aufzustellen. Obwohl diese Erkenntnis mittlerweile in den meisten Unternehmen angekommen ist, ist die Thematik so vielschichtig und komplex, dass die Umsetzung vielen noch schwer fällt.

Die übliche Definition der digitalen Transformation als intensive Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne des Geschäftsinteresses verdeutlicht ihre Komplexität: Digitalisierung ist ein übergeordnetes Thema, das viele verschiedene Aspekte einschließt und miteinander verbindet – darunter Industrie 4.0, Big Data, Cloud Computing, Social Media, BringYourOwnDevice (BYOD), Mobile Enterprise und Internet-of-Things (IoT). Gleichzeitig ermöglicht sie aber auch eine geschäftsorientierte Analyse und reduziert die Gefahr einer Technologiefokussierung. Unternehmen, die die Vorteile der Digitalisierung für sich nutzen wollen, sollten in einem ersten Strukturierungsansatz die Geschäftsprozesse und den Geschäftsgegenstand digitalisieren.

Digitalisierung der Geschäftsprozesse

Bei der Digitalisierung der Geschäftsprozesse geht es einerseits um die informationstechnisch verstärkte Umsetzung und Automatisierung der aktuellen und optimierten Prozesslandschaft. Andererseits sind hier auch Prozessveränderungen wie die Einführung neuer Vorgehensweisen, Standardisierung und Outsourcing einzubeziehen. ERP- und CRM-Module können die Qualität und die Verfügbarkeit von Daten verbessern, während branchenübliche Funktionen durch Standardprodukte abgedeckt und in der Cloud bereitgestellt werden können. So werden eigene Ressourcen frei für spezifische, differenzierende Funktionen. Weitere typische Beispiele für Prozessoptimierungen durch Digitalisierung sind die durchgängige Erfassung von Produktdaten, die Automatisierung von Fertigungsschritten oder in Bestellprozessen bei Zulieferern, die Einführung vernetzter (Industrie 4.0) neuer Prozesstechniken (3D-Druck) sowie die direkte Anbindung des Außendienstes an Lagerhaltung oder Produktion. Auf Basis datenbasierter und automatisierter Prozesse kann dann auch über erweiterte Website-Funktionalitäten oder mobile Apps für den Vertrieb oder direkt für den Kunden (Self-Service) nachgedacht werden. Ohne diese Kopplung verpufft diese Investition zumeist.

Digitalisierung des Geschäftsgegenstands

Der sehr abstrakt klingende Begriff des Geschäftsgegenstandes wurde hier bewusst gewählt – als Zusammenfassung und Generalisierung der Aspekte Produkt, Dienstleistung und Geschäftsmodell. Produkte, die die Bedürfnisse von Kunden befriedigen sollen, lassen sich mitunter durch digitale Technologien verbessern oder günstiger herstellen. Die Digitalisierung verändert nicht nur Prozesse in Unternehmen, sondern auch die Bedürfnisse der Kunden – insbesondere dann, wenn sie zur Generation der Digital Natives zählen. Gegebenenfalls werden völlig andere Produkte den sich ändernden Rahmenbedingungen viel eher gerecht. Das Bedürfnis, private Momente bildlich festzuhalten und zu teilen, wurde früher durch Einkleben von Fotos in leere Alben erfüllt. Heute werden digital erstellte Fotobücher, Online-Alben oder Social-Media-Plattformen genutzt. Auch Dienstleistungen haben natürlich die Kundenwünsche zu erfüllen – sie werden oft separat betrachtet und spielen in der Digitalen Transformation eine besondere Rolle. Sie können das Produkt über den gesamten Lebenszyklus (Customer Journey) ergänzen, also vor, während und nach dem Kauf. Damit wird ein erweitertes Kundenerlebnis geschaffen und eine erhöhte Kundenbindung erzielt. Besondere begleitende Dienstleistungen können zum Alleinstellungsmerkmal in reifen Märkten mit austauschbaren Produkten werden und Premiumangebote schaffen. Sie können das Produkt andererseits auch ersetzen, wenn beispielsweise nicht mehr Autos vermarktet werden, sondern Mobilität. Digitale Techniken und die Vernetzung mit Kunden und Geschäftspartnern spielen bei der Gestaltung neuer Dienstleistungen eine besondere Rolle und eröffnen völlig neue Möglichkeiten. Diese gehen oft über eine effizientere Produkterstellung oder ergänzende Dienstleistungen hinaus. Unternehmen sollten bestehende Geschäftsmodelle mit diesem Ansatz hinterfragen. Die Variationsmöglichkeiten umfassen neue Kundenbedürfnisse, Kundensegmente und Veränderungen in der Wertschöpfungskette bis hin zu neuen Ertragsmodellen. Die Ergebnisse aus der Analyse der Geschäftsprozesse und dem Produkt- und Serviceportfolio fließen mit ein und können als vorbereitende Schritte und Tests neu entwickelter Geschäftsmodelle dienen.

Fokus Daten

Mit dieser aufgezeigten Differenzierung der internen Geschäftsprozesse und des außenwirksamen Geschäftsgegenstandes werden in der Regel die Ansatzpunkte für die digitale Transformation gut erfasst. In der Praxis bleibt man dabei sehr nahe am aktuellen Stand. Der Tunnelblick lässt uns auf inkrementelle Verbesserungsmöglichkeiten fokussieren, während disruptive Veränderungen ausgeblendet werden. Dieser Effekt ist in der Psychologie und Kommunikationswissenschaft gut bekannt und kann beispielsweise durch Reframing vermieden werden. In diesem Fall ist es hilfreich, sich aus der realen Welt in die Datenwelt zu begeben und das Geschäft mal durch eine Datenbrille zu betrachten:

  • Wo fallen Daten an, die an anderer Stelle, auch außerhalb des eigenen Unternehmens, wertvoll sein können?
  • Wo können Prozessschritte durch zusätzliche Informationen verbessert oder gar ersetzt werden?
  • Wo können durch Datenverarbeitung Dinge vereinfacht oder abgekürzt werden – etwa durch Simulation und virtuelle Prototypen)?

Gerade in etablierten, erfolgreichen Unternehmen sind Wissen, Erfahrung und Fachkunde von enormem Wert, aber noch fehlt es vielen an der systematischen Erfassung, Verarbeitung, Nutzung und Monetarisierung. Die Ergebnisse einer datenfokussierten Analyse werden deutlich von den üblichen inkrementellen Veränderungen abweichen. Ihr Wert ist umso höher einzuschätzen. Im Extremfall wird das vordergründige, bisherige Produkt zum Beiwerk, das ganz oder teilweise durch Partner erbracht wird, wie beispielsweise bei Uber, Airbnb oder auch Tesla.

Digitalisierung als Schlüssel für die geschäftliche Weiterentwicklung

Eine sinnvolle Strukturierung der digitalen Transformation macht die Priorität des Geschäfts vor der Technologie deutlich. Sie zeigt aber auch die wachsende Bedeutung der Technologie in ihrer maximalen Breite als Schlüssel für die geschäftliche Weiterentwicklung. Geeignete Ansatzpunkte für die eigene digitale Transformation werden mit einer klaren Struktur gefunden. Die Ansätze müssen nun noch priorisiert, in einer passenden Strategie geplant und schließlich umgesetzt werden. Eine solche Planung erfordert ein sehr breites Wissen und zugleich zeitlichen wie gedanklichen Freiraum, was aufgrund der Knappheit wertvoller Ressourcen innerhalb des Unternehmens oft schwer bereitgestellt werden kann. Die Vorteile liegen auf der Hand: maximale Effektivität für Investitionen, Veränderung in kleinen zusammenhängenden Schritten, frühe erste Erfolge, äußerst zielgerichteter Einsatz schwer verfügbarer Spezialisten und die Vermeidung des Tunnelblicks. Wesentliche Anforderungen eines erfolgreichen Change Managements werden damit erfüllt.

Über den Autor

Thomas Pförtner ist Projekt- und Interim Manager. Er realisiert neue Geschäftswerte durch fokussierte Projekte und ist immer dann gefragt, wenn es um strategisches Wachstum durch technische Innovationen geht. Zu seinen Auftraggebern zählen wachstumsorientierte Unternehmen aus der IT/K-Branche, der Chip- und Halbleiterindustrie sowie aus Produktion und Fertigung. Als Universalist verbindet er umfassendes technologisches Wissen über Chips und Halbleiter sowie moderne Fertigungsverfahren und Werkstoffe mit Praxiswissen über Netze, Server, moderne IT-Services und EDV. Ergänzt wird sein Kompetenzportfolio um strategisches Unternehmensmanagement-Know-how und Erfahrungen in den Bereichen Qualitätssicherung, Risikobewertung, Finanzen, Einkauf, Fertigung, Vertragswesen, Führung und Prozessteuerung. Er wirkt als Generalist. Technologie ist für ihn Mittel zum Zweck – mit und für die Menschen, die sie anwenden. Er steht für greifbare Ergebnisse und eine nachhaltige Umsetzung in der betrieblichen Praxis. Seine ganzheitliche Sicht auf menschliche, technologische, betriebswirtschaftliche, gesellschaftliche und ethische Fragestellungen in einer volatilen Geschäftswelt bringt der Diplom-Ingenieur und ausgezeichnete Interim Manager auch in verschiedene Fachzirkel und Gremien ein. Wegen seiner tiefgründigen Analysen und seiner systemisch-generalistischen Denkansätze ist er zudem als Autor in Fachmedien gefragt sowie als Experte im Rahmen von Workshops, Tagungen und Kongressen.

Weitere Informationen unter https://pfoertner-net.de.

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