„Aufgeben war nie eine Option für mich“
Seit April 2018 trage ich einen implantieren Defibrillator in meinem Körper, einen Lebensretter unter meiner Haut, der mich immer beschützen wird. Die vergangenen drei Jahre prägten mein Leben und ich fand mich auf einmal in einer Botschafterrolle wieder: als Botschafterin, die für mehr Aufklärung sorgen möchte, und die vor allem ihre eigenen wertvollen Erfahrungen an andere Patienten weitergeben kann.
Es ist eine ernsthafte, lebensverändernde und keine leichte Entscheidung, wenn man vor solch einer Diagnose steht. Dennoch möchte ich Ihnen einige Ängste nehmen und falsch projizierte Bilder, die diese Thematik beinhalten, revidieren. Das Wichtigste ist eine offene und klare Kommunikation ohne Scham vor falschen Fragen. In diesem Sinne würde ich gerne wichtige Einblicke aus meinem Erfahrungsschatz geben aus den Bereichen Sport, Alltag und Psyche.
Sport
- Ich hatte drei Wochen Schmerzen im Brustbereich, linke Schulter Vorderseite. Danach war alles in Ordnung. Nur ich muss dazu sagen, dass ich ein Top-Physio-Team und eine eigene Yoga-Lehrerin zur Seite hatte, die mich so schnell schmerzfrei bekommen haben.
- Schon drei Wochen nach dem Eingriff war ich joggen und sechs Wochen danach habe ich meinen ersten Wettkampf mit 4,20 Metern gemeistert. Bis mein Körper den Ansprüchen des Stabhochsprungs wieder voll und ganz genügte, verging ungefähr ein halbes Jahr. Jedoch ist dies auch eine sehr komplexe Sportart und ich muss den Arm dazu muskulär ansteuern.
- Es kann eine Zeit dauern, bis man alle Übungen wieder normal ausführen kann. Nur von Bankdrücken (Brustpresse) mit hohem Gewicht wurde mir abgeraten, da es für meine Herzerkrankung grundsätzlich nicht gut ist.
- Anfangs beim Springen musste ich den Defi unter dem Sport-BH abpolstern, für den Fall, dass ich bei der Landung drauf falle. Auch die Landung habe ich neu gelernt, damit alles gut geht. Da der S-ICD unter dem Latissimus-Muskel liegt, ist es möglich, Sport zu treiben. Mit einem anderen Modell wäre dies nicht realisierbar, da ansonsten die Elektrode mit dem Herzen verbunden ist und das Herz beschädigen könnte.
Alltag
- Ich muss mich von starken Magnetfeldern fernhalten. In der Sicherheitsschleuse des Supermarkts darf ich nicht stehen bleiben und mein Handy muss ich am rechten Ohr halten. Im Handbuch meines S-ICD steht genau, welche Geräte wie weit entfernt sein müssen, um sie zu verwenden. Mittlerweile ist das alles Routine und schränkt mich im Alltag nicht mehr ein.
- Etwa alle sieben Jahre findet ein Defi-Wechsel statt, da die Batterielaufzeit dann zu Ende geht. Ich baue da natürlich auf einen medizinischen Fortschritt, sodass man sich nicht mehr alle sieben Jahre einer Operation unterziehen muss.
- Jeder Defi-Träger bekommt einen Ausweis, der ihn beispielsweise am Flughafen ausweist. Dieser ermöglicht, dass die Sicherheitsschleusen ausgeschaltet werden und man manuell abgetastet wird.
Psyche
Wie habe ich gelernt, den Defi voll in meinem Körper zu integrieren und anzunehmen?! An dem Tag, an dem ich die Nachricht bekam, dass ich einen Defi benötige, hatte ich zunächst Angst. Große Angst! Denn ich wusste ja nicht, wie sich mein zukünftiges Leben von nun an gestalten wird. Aber dann habe ich mir gedacht: „Warum sollte ich alles aufgeben müssen?“ Ich wollte alles tun und dafür kämpfen, weiter Stabhochsprung als Leistungssport betreiben zu können. Hätte es nicht geklappt, hätte ich mir niemals vorwerfen müssen, es nicht versucht zu haben. Das Wichtigste ist, sich selbst keine Grenzen zu setzen und einfach mal in Ruhe zu schauen, wo der Weg hingeht. Aufgeben war nie eine Option für mich. Des Weiteren habe ich gelernt, meine Gedanken umzuprogrammieren und mich von den Ängsten zu befreien. Es kommt immer darauf an, worauf der Fokus liegt. Wenn man auf den nächsten Schock wartet, wird er auch kommen. Ich denke einfach um: Ich bin dankbar für jeden gesunden Tag und dass der Defi ruhig bleibt. Es ist wichtig, dies selbst so zu empfinden und nicht nur zu denken.
Gastbeitrag von Katharina Bauer
(in Kooperation mit Boston Scientific/Patientenmagazin)
Katharina Bauer ist eine deutsche Stabhochspringerin. Seit 2018 lebt sie mit einem implantierten Defibrillator. Sie ist die erste Profisportlerin, die mit einem Defibrillator an einer Europa- und Weltmeisterschaft teilnahm, und schrieb damit Sportgeschichte. Seit vielen Jahren praktiziert die Teameuropameisterin Yoga. Es ist ihr eine Herzensangelegenheit, Betroffenen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihre Gesundheit verbessern können. Katharina Bauer lebt in Leverkusen, wo sie ideale Trainingsbedingungen und ein professionelles leistungssportliches Umfeld gefunden hat. Informationen unter www.katharina-bauer.online oder auf Instagram katha.bauer
Bildquellen
- Katharina Bauer_Stabhochsprung: Katharina Bauer