Die Übernahme eines bestehenden Betriebes und dessen digitale Transformation birgt zahlreiche Chancen. Auf dem Weg dorthin gilt es jedoch einige Hürden zu überwinden.
Kleine und mittlere Betriebe sind das Fundament der deutschen Wirtschaft. Um die Zukunft vieler dieser Firmen ist es jedoch trotz guter Zahlen schlecht bestellt: Immerhin zwölf Prozent der mittelständischen Betriebe müssen laut KfW Research in den kommenden Jahren endgültig ihre Tore schließen, weil deren Inhaber keinen Nachfolger finden. Konkret wären davon immerhin rund 450.000 Firmen betroffen. Doch während drohende Stilllegungen für Mitarbeiter, Lieferanten und mitunter ganze Regionen verheerende Folgen haben, bieten sich für Entrepreneure, die ein solches Unternehmen übernehmen wollen, große Chancen. Wer als neuer Besitzer eines alten Betriebes durchstarten möchte, kann schließlich auf bereits etablierte Strukturen, eine solide Kundenbasis sowie erfahrene Mitarbeiter zurückgreifen. Dabei gibt es in jedem Stadium der Übernahme einige zentrale Punkte zu beachten.
Phase 1: Zukunftsfähigkeit analysieren und Digitalisierungspotentiale identifizieren
Wer über ein Investment als Nachfolger nachdenkt, möchte nicht die Katze im Sack kaufen. Entsprechend wird das Geschäftsmodell, das den Betrieb erfolgreich gemacht hat, gründlich geprüft. Doch auch das künftige Potenzial ist Teil einer umfangreichen Analyse. Der digitale Wandel spielt in vielen Fällen eine Schlüsselrolle. So können in fast jedem mittelständischen Unternehmen zentrale Prozesse – von der Kundenkommunikation bis zum Verkauf – umgestaltet und digitalisiert werden. Genau dort winkt der höchste Return on Investment.
Vor diesem Hintergrund ist es in der Due-Diligence-Phase essentiell, die Bereiche Zukunftsfähigkeit und digitaler Wandel ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Ein guter erster Ansatzpunkt dabei sind Markenchecks, wie sie beispielsweise das Institut für Entrepreneurship Mittelstand und Familienunternehmen der HWR Berlin online in einem Analysetool anbietet. Basierend auf den dort präsentierten Ergebnissen kann im nächsten Schritt eine Entscheidung getroffen werden, welche Technologien und Lösungen konkret helfen, Mitarbeiter zu entlasten, Kosten zu sparen, Kunden besser zu adressieren und Abläufe effizienter zu gestalten. Leistungsfähige Software für Unternehmensbereiche wie Personalwesen, Logistik oder Buchhaltung kann in jedem Fall helfen, Abläufe zu rationalisieren und Analysen durchzuführen. Letztere bieten ein ganz besonderes Potenzial. Gerade der Blick in die Zukunft auf Basis von Datenmodellen ermöglicht es Unternehmen schließlich, noch besser und proaktiver auf Kundenwünsche zu reagieren. In der produzierenden Industrie wiederum sind gänzlich neue Geschäftsmodelle wie die vorausschauende Wartung oder eine effizientere Produktionsplanung möglich.
Phase 2: Die Finanzierung sicherstellen
Eine wichtige Frage für Nachfolger ist, wieviel Eigenkapital aufgebracht werden kann und soll. Im Allgemeinen gilt ein Anteil von etwa 20 Prozent als empfehlenswert, das Nachfolger beim Kauf eines Unternehmens einbringen sollten. Die meisten werden außerdem Fremdkapital benötigen, sei es als Geschäftskredit der Hausbank oder Ratenzahlung auf den Kaufpreis. Als weitere Quelle für Fremdkapital bieten sich darüber hinaus Risikokapitalgeber an. Für Venture-Capital-Firmen gelten zukunftsfähige mittelständische Betriebe mit überzeugender Digital-Strategie als interessantes Investment.
Aber auch Bund und Länder bieten derzeit verschiedene Programme zur Unterstützung von Existenzgründern, die auch Firmennachfolgen abdecken. Der „ERP-Gründerkredit“ und das „ERP-Kapital für Gründung“ sind Beispiele für interessante Finanzierungsoptionen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Mit dem Mikrokreditfond Deutschland hat der Bund ein Bürgschafts-System gestartet, das eine weitere Alternative sein kann. Darüber hinaus können sich Nachfolger in Kooperation mit ihrer Hausbank bei diversen Förderprogrammen der Bundesländer bewerben.
Eine wichtige Entscheidungshilfe für Fremdkapitalgeber sind in diesem Zusammenhang die Jahresabschlüsse des zu übernehmenden Betriebes mit Gewinn- und Verlustrechnung der vergangenen drei Jahre und die entsprechenden hinterlegten Sicherheiten des Kaufinteressenten. Neben den reinen Finanzaspekten spielen auch Punkte wie Marktumfeld, Kunden- und Wettbewerbssicht sowie der Digitalisierungsgrad des Betriebs und die dahingehend vorhandenen Potentiale eine wichtige Rolle.
Phase 3: Einen guten Übernahmepreis vereinbaren
Am fairen Kaufpreis für ein mittelständisches Unternehmen scheiden sich regelmäßig die Geister. Klassische Ansätze, wie das EBIT-Verfahren oder die Orientierung am Ertragswert greifen dabei häufig zu kurz, da auch immaterielle Werte wie die Geschäfts- oder Produktidee, das implizite Know-how der Mitarbeiter, die Unternehmenskultur, etablierte Beziehungen zu Lieferanten und Kunden sowie die Marktposition in die Bewertung einfließen sollten. Nicht zu vergessen ist auch der emotionale Wert, der insbesondere beim Verkauf von Familienunternehmen eine wichtige Rolle spielt. Hier geht es den ausscheidenden Firmenlenkern weniger um rein finanzielle Aspekte als vielmehr die nötige Anerkennung für ihr Lebenswerk.
Phase 4: Mit integrierten Lösungen strategische Unternehmensziele erreichen
Mit Blick auf die Digitalisierung gibt es gerade beim Mittelstand großen Nachholbedarf, zugleich birgt dieses Thema großes Potenzial. Dabei geht es nicht nur darum, Unternehmensprozesse zu automatisieren und effizienter zu gestalten, sondern vor allem um die Umsetzung strategischer Ziele, wie beispielsweise den Ausbau von Marktanteilen. So profitieren von einer modernen CRM-Lösung die Bereiche Kundenverwaltung, Kundenservice, Marketing und Vertrieb gleichermaßen – etwa, indem ein besserer Überblick über Verkaufswahrscheinlichkeiten, die Umsatzentwicklung bestimmter Kunden sowie die Wirksamkeit von Marketingaktionen entsteht. Im Bereich HR wiederum können Lösungen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz präzise Zukunftsprognosen erstellen und den Mitarbeiterbedarf ermitteln. Auf diese Weise können strategische Wachstumsziele eines Betriebs auch personalseitig zielgerichtet unterstützt werden.
Besonders große Vorteile entstehen, wenn diese und andere Geschäfts-IT-Anwendungen – vom Produktions- und Warenwirtschaftssystem bis zur Finanzbuchhaltung – auf einer einzigen Plattform mit einheitlicher Datenbasis arbeiten. Schließlich lässt sich dadurch wesentlich mehr Effizienz in sämtlichen Bereichen erzielen. Etwa weil die Produktion besser planbar wird, der Vertrieb besser auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren kann und sich im Bereich Service und Support neue Einblicke für die Entwicklung ergeben. Im Idealfall hilft eine entsprechende IT-Infrastruktur neue Geschäfts- und Wachstumsfelder zu entwickeln, die das Unternehmen unter der neuen Führung entscheidend voranbringen.
Über den Autor
Jan Friedrich, Vice President Field Marketing Central Europe bei Sage
Bildquellen
- Bild 2: Sage GmbH
- Jan Friedrich: Sage GmbH
- Bild 1: Sage GmbH